[LONDON] RISING WILD: NICK JENSEN

11 November - 16 December 2023

[ENGLISH]

 

UNION Gallery is pleased to present Nick Jensen’s Rising Wild exhibition with the artist’s latest body of paintings.

 

In Rising Wild, Jensen strives to portray all the wonders, anxieties, and wildness of the world around him and do this all at the same time. As a father, Jensen has connected with how childhood feelings have started to return since becoming a parent.

 

“Being with kids and spending time with them has made me think that rather than separating my subject matter, I should encourage myself to think about my surroundings and my experience with them.”                                                                        

-        Nick Jensen

  

In this show things are wild. A school trip with children climbing a rock, the act of throwing a paper airplane, a passing face, are all timeless in space, uncultivated, free spirited.  They hold but a moment in time, a glance, the viewer is caught in each preserved interaction of Jensen’s visual narrative.

 

Drawing on an appreciation of Cubism there are clear references to the divided line against dissolving space. The anatomising of space and in how things are represented. The interplay between the real and the dismantled. An object like a star which occupies a symbolic role but is also just a squiggly outline.

 

The physical nature of a painting has always been of interest to the artist. Jensen creates his own paints, in his exploration of the material relationship to his subject matter. Jensen constructs a conversation about how much the materiality of paint finds its own language, where it’s possible to render lucid and abstract impressions, much like how life feels.

 

Accompanying text by Eddy Frankel 

 

Grief comes in so many guises. It doesn't just come in stages, or after a loved one dies, it comes in different shapes, at different times, in different ways. And underneath all the haze, soft colours and bright light of this new series of paintings by Nick Jensen, there is an aching sense of mourning, a palpable, tangible, almost salty cheeked grief that courses through each work.

 

His son stands on a table throwing a paper airplane, or draping a blanket over his back like a set of improvised wings. The artist pulls his daughter and her friends along on a toy train, kids clamber up rocks, grasses sway in the wind, figures from the streets of Tottenham stand against vast blank walls. Boring everyday objects become tools of fantasy; a table is a runway, a rock is a climbing frame.

 

These are paintings full of youth, but full of loss too. The youth is theirs, the kids’; and the loss is the artist’s own youth, thrown into fragmented, sharp relief. Because you look at your kid and you see what's it like to take in the world without boundaries, without limits, to encounter things in life for the first time, figure them out, twist them, mould them, comprehend them without prejudice or the crushing weight of experience; to be – more than anything – innocent.

 

And when you see that innocence, you have to mourn your own loss of it. You, with all your weary years of knowing the right way from the wrong way, your decades of societal expectations, familiar responsibilities and all the bull shit of being a functional adult; you’ll never see the world anew again, never have that innocence. That’s the mourning, that’s the grief.

 

The paintings look light, airy, soft. But that lightness is a mask hiding thick, home-made paints that crack and glob and sputter across the canvases. They look thin and watery, but they’re laden, dense, the lightness is just a brave face. The smaller works are darker though, somehow more English, like Constable with glaucoma.

 

Being based on photos, the paintings live in that uncanny valley between reality and fantasy. Instead of being a depiction of a thing that happened, they become the artist’s interpretation of that thing, a mediated, manipulated vision of the past; a single memory repurposed and rethought and repainted, over and over again. You have the event, you have the memory of the event, you have the photo of the event; and then, when you translate it into paint, you have this mess of meaning and emotion, this desperate attempt to make sense of the world.

 

So what does it mean when Nick paints his son? Or a wall in Tottenham? Or a woman on the street? The paintings aren’t family snapshots, or diaristic visions of parenting or north London life, they’re a process, an untangling of feelings and thoughts and the past, an attempt to make sense of loss and time and memory. They are, in other words, grief.

 

 

[DEUTSCH]

 

Die UNION Gallery freut sich, die Ausstellung Rising Wild von Nick Jensen mit den neuesten Gemälden des Künstlers zu präsentieren.

In Rising Wild bemüht sich Jensen, all die Wunder, Ängste und die Wildheit der Welt um ihn herum darzustellen, und das alles gleichzeitig. Als Vater kann Jensen nachvollziehen, wie die Gefühle der Kindheit zurückkehren, seit er selbst Vater geworden ist.

"Wenn ich mit Kindern zusammen bin und Zeit mit ihnen verbringe, denke ich, dass ich meine Umgebung und die Erfahrungen, die ich mit ihr mache, stärker berücksichtigen sollte, anstatt meine Themen zu trennen."
- Nick Jensen

 

In dieser Ausstellung sind die Dinge wild. Ein Schulausflug mit Kindern, die auf einen Felsen klettern, der Wurf eines Papierflugzeugs, ein vorbeiziehendes Gesicht - sie alle sind zeitlos im Raum, unkultiviert und frei. Sie halten nur einen Moment in der Zeit fest, einen Blick, der Betrachter ist in jeder erhaltenen Interaktion von Jensens visueller Erzählung gefangen.

Ausgehend von einer Wertschätzung des Kubismus gibt es klare Bezüge zur geteilten Linie gegen den sich auflösenden Raum. Die Anatomisierung des Raums und die Art und Weise, wie die Dinge dargestellt werden. Das Wechselspiel zwischen dem Realen und dem Demontierten. Ein Objekt wie ein Stern, der eine symbolische Rolle einnimmt, aber auch nur ein verschnörkelter Umriss ist.

Die physische Beschaffenheit eines Gemäldes war für den Künstler schon immer von Interesse. Jensen stellt seine eigenen Farben her, wenn er die materielle Beziehung zu seinem Gegenstand erforscht. Jensen konstruiert ein Gespräch darüber, wie sehr die Materialität der Farbe ihre eigene Sprache findet, in der es möglich ist, klare und abstrakte Eindrücke wiederzugeben, ganz so, wie sich das Leben anfühlt.

Begleittext von Eddy Frankel

 

Trauer hat so viele Gesichter. Sie tritt nicht nur in Phasen oder nach dem Tod eines geliebten Menschen auf, sondern in verschiedenen Formen, zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedene Weise. Und unter all dem Dunst, den sanften Farben und dem hellen Licht dieser neuen Gemäldeserie von Nick Jensen ist ein schmerzhaftes Gefühl der Trauer zu spüren, eine spürbare, greifbare, fast salzige Wange, die sich durch jedes Werk zieht.

Sein Sohn steht auf einem Tisch und wirft ein Papierflugzeug, oder er drapiert eine Decke über seinen Rücken wie einen Satz improvisierter Flügel. Der Künstler zieht seine Tochter und ihre Freunde auf einer Spielzeugeisenbahn mit, Kinder klettern auf Felsen, Gräser wiegen sich im Wind, Figuren aus den Straßen von Tottenham stehen vor riesigen leeren Wänden. Langweilige Alltagsgegenstände werden zu Werkzeugen der Fantasie; ein Tisch wird zur Landebahn, ein Felsen zum Klettergerüst.

Es sind Bilder voller Jugend, aber auch voller Verlust. Die Jugend ist ihre, die der Kinder; und der Verlust ist die eigene Jugend des Künstlers, die in ein fragmentiertes, scharfes Relief geworfen wird. Denn wenn man sein Kind ansieht, sieht man, wie es ist, die Welt ohne Grenzen zu betrachten, ohne Begrenzungen, den Dingen des Lebens zum ersten Mal zu begegnen, sie zu begreifen, sie zu verdrehen, zu formen, sie ohne Vorurteile oder die erdrückende Last der Erfahrung zu begreifen; unschuldig zu sein - mehr als alles andere.

 

Und wenn man diese Unschuld sieht, muss man um den Verlust dieser Unschuld trauern. Du, mit all deinen müden Jahren, in denen du weißt, was richtig und was falsch ist, mit deinen jahrzehntelangen gesellschaftlichen Erwartungen, deinen gewohnten Verantwortlichkeiten und all dem Scheiß, den man als Erwachsener zu tun hat - du wirst die Welt nie wieder neu sehen, nie wieder diese Unschuld haben. Das ist die Trauer, das ist der Kummer.

Die Bilder sehen leicht, luftig, weich aus. Aber diese Leichtigkeit ist eine Maske, hinter der sich dicke, hausgemachte Farben verbergen, die auf den Leinwänden aufplatzen und spritzen. Sie sehen dünn und wässrig aus, aber sie sind beladen, dicht, die Leichtigkeit ist nur ein tapferes Gesicht. Die kleineren Arbeiten sind allerdings dunkler, irgendwie englischer, wie Constable mit grünem Star.

Da die Gemälde auf Fotos basieren, leben sie in diesem unheimlichen Tal zwischen Realität und Fantasie. Anstatt ein Ereignis abzubilden, das sich ereignet hat, werden sie zur Interpretation des Künstlers, zu einer vermittelten, manipulierten Vision der Vergangenheit; eine einzige Erinnerung, die immer wieder neu überdacht und gemalt wird. Man hat das Ereignis, man hat die Erinnerung an das Ereignis, man hat das Foto des Ereignisses; und dann, wenn man es in Farbe übersetzt, hat man dieses Durcheinander von Bedeutung und Emotion, diesen verzweifelten Versuch, der Welt einen Sinn zu geben.


Was bedeutet es also, wenn Nick seinen Sohn malt? Oder eine Wand in Tottenham? Oder eine Frau auf der Straße? Die Bilder sind keine Familienschnappschüsse oder tagebuchartige Visionen der Elternschaft oder des Lebens im Norden Londons, sie sind ein Prozess, ein Entwirren von Gefühlen und Gedanken und der Vergangenheit, ein Versuch, dem Verlust, der Zeit und der Erinnerung einen Sinn zu geben. Sie sind, mit anderen Worten, Trauer.